Vorstandswechsel: Jörg Niethammer übernimmt das Ruder

Wolfgang Klotz und sein Nachfolger im Pressegespräch

Von Jan-Philipp Schlecht – „Kreiszeitung Böblinger Bote“

Wolfgang Klotz tritt im Juni nach 20 Jahren als Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Volksbanken in den Ruhestand. Das Ruder übernimmt der 44-jährige Jörg Niethammer, ein Eigengewächs der Bank. Er stehe für größtmögliche Kontinuität, betont er.

BÖBLINGEN. Als Wolfgang Klotz zum Pressegespräch erscheint, schreitet er gelösten Schrittes durch das Foyer der Hauptstelle der Vereinigten Volksbanken am Friedrich-List-Platz, „seiner“ Volksbank, die aber freilich den über 80 000 Genossenschaftsmitgliedern gehört. Es sind seine letzten Tage auf der Kommandobrücke dieses Tankers, den er zur heutigen Größe formte und durch die zeitweise aufgeraute See steuerte. „Mit dem Jahresabschluss von 2023 kann ich das Ruder ruhigen Gewissens übergeben“, sagt der 64- Jährige. Ein Jahr vorher wäre das nicht ganz so der Fall gewesen, räumt er ein.

Die aktuellen Geschäftszahlen stellen ihn zufrieden. Einen Zinsüberschuss von 85,3 Millionen Euro weist die Bilanz aus, das ist mehr als geplant. Und das Ergebnis eines finanztechnischen Kniffs, dessen sich die Volksbank bediente. „Wir haben uns vor der Zinswende gegen Zinsrisiken abgesichert. Das zahlt sich jetzt aus“, sagt Vorstandsmitglied Martin Riegger. So habe die Bank zwar für eine gewisse Zeit auf höhere Erträge verzichtet, doch durch die gesicherte Rückzahlung könne man das jetzige Ergebnis stabil halten. Was keine Selbstverständlichkeit sei.

Am Ende der Bilanz steht ein Jahresüberschuss von 2,87 Millionen Euro, nach 1,39 Millionen im Vorjahr – mehr als doppelt so viel also. Die Volksbank zahlte den genossenschaftlichen Mitgliedern im Anschluss an die Vertreterversammlung Mitte Mai daher eine Dividende von 1,5 Prozent plus einen Bonus von 0,5 Prozent. Die rasante Zinswende und die Reaktion der Volksbank darauf ist der letzte Sturm, durch den Wolfgang Klotz das Schiff Volksbank gesteuert hat. Doch wie die vorigen brachte die raue See den groß gewachsenen Mann mit charakteristischem Vollbart nicht aus der Ruhe.

Wolfgang Klotz: War seit 2004 Vorstandsvorsitzender der der Vereinigte Volksbanken eG.

Wenn er aus seinem Büro im vierten Geschoss des Geldhauses nach draußen blickt, prangt auf dem Gebäude gegenüber das Logo der Deutschen Bank. Einst Stolz der Bundesrepublik, doch seit geraumer Zeit und mehreren Vorstandswechseln in erheblichen Schwierigkeiten. Klotz ist froh, auf der anderen Seite zu sitzen: „Die Deutsche Bank arbeitet einzig und allein für ihren Shareholder Value“, hat also nur ihren Marktwert an der Börse im Blick. Ein Modell, das Klotz fremd ist. „Die Volksbank ist getragen von den Menschen für die Menschen“, sagt er. Sie habe ganz andere Werte und lebe vielmehr von dem Vertrauen der Kunden, das ihr geschenkt werde.

Klotz kletterte in dem Geldhaus Sprosse für Sprosse auf der Karriereleiter nach oben: 1975 Ausbildung zum Bankkaufmann, 1984 übernahm er nach verschiedenen Stationen Führungsverantwortung als Leiter der Organisation. 1996 wurde er zum Vorstandsmitglied und 2004 dessen Vorsitzender. In seine Amtszeit fiel die Rückkehr zur Rechtsform der Genossenschaft nach 23 Jahren als Aktiengesellschaft im Jahr 2016. Ein Jahr später verschmolz er das Haus mit der Darmsheimer Bank, 2020 wurde die Fusion mit der Volksbank Reutlingen vollzogen. Die Verschmelzungen bedeuteten vor allem auch immer eine Reihe von „identitätsstiftenden Maßnahmen“, wie er sagt, seien erst nach fünf Jahren ganz verdaut. Unter Klotz wuchsen die Vereinigten Volksbanken zu einer der größeren Genossenschaftsbanken in Baden- Württemberg heran mit einer Bilanzsumme von aktuell 5,2 Milliarden Euro.

Jörg Niethammer
Jörg Niethammer: Ab 1. Juli 2024 neuer Vorstandsvorsitzender der Vereinigte Volksbanken eG.

„Jetzt wird es Zeit, dass der alte Hahn vom Hof geht“, sagt er nicht ohne Selbstironie. Er übergebe ein grundsolide aufgestelltes Haus an das Eigengewächs Jörg Niethammer, was ihn schon ein wenig stolz mache. Die beiden begegneten sich zum ersten Mal vor 24 Jahren, als Niethammer sein Trainee als Privatkundenbetreuer begann. Nach einer Station in der Vorstandsassistenz folgten Stationen in der Organisationsentwicklung, als Finanzberater und Filialdirektor, bevor er als Regionaldirektor den Privatkundenbereich führte und 2016 erst zum Generalbevollmächtigten und 2019 zum Vorstand aufstieg.

Was macht den Leichtathlet zum idealen Nachfolger auf der Kommandobrücke? „Weil er weiß, was er will“, sagt Klotz über den 20 Jahre jüngeren Mann wie aus der Pistole geschossen. Diese essenzielle Eigenschaft, in sich die Kompetenz zu spüren, den richtigen Weg zu sehen und zu gehen. „Wenn drum herum der Sturm tobt, ist es wichtig, dass die Mannschaft den Chef auf der Brücke stehen sieht“, sagt er. Klar, auch er sei am einen oder anderen schier verzweifelt. Und auf der Brücke stehe man im Zweifel mal allein. „Doch am Ende ist es auch die Fähigkeit, sich an den eigenen Haaren wieder nach oben ziehen zu können“, sagt er.

Der 20 Jahre jüngere Niethammer sagt über sich: „Im sportlichen Bereich habe ich manche Hürde zu nehmen gelernt. Doch mein Favorit war immer die Flachbahn.“ Mangelnde Ausdauer wird ihm auf dem Weg die Karriereleiter nach oben in der Tat keiner nachsagen können. Was will er als erstes anpacken? „Unser Leitbild mit Leben füllen“, sagt Jörg Niethammer. Dieses Leitbild – zugleich der aktuelle Werbeslogan – lautet: „Meine Bank, die Heimat lebt.“ Mit der Betonung dieser „genossenschaftlichen DNA“ soll sich die Volksbank am Markt abheben.

Am Anfang stehe für ihn eine gründliche Analyse – der Marktanteile ebenso wie der Kundenzufriedenheit. Darauf aufbauend will Niethammer die Volksbank möglichst eng an den Kundenbedürfnissen ausrichten – und die Marktanteile freilich steigern.

Schließlich kämpfe die Volksbank wie andere Häuser auch mit dem demografischen Wandel. Als große genossenschaftliche Organisation spüre sie diesen deutlich am eigenen Leib. Der Diskussion um weitere mögliche Fusionen erteilt er eine höfliche Absage: Da sei derzeit nichts konkretes am Horizont sichtbar.

Quellenhinweis: Von Jan-Philipp Schlecht – „Kreiszeitung Böblinger Bote“